Der Flughafen

Berlin-Tempelhof soll lebendiges UNESCO Weltkulturerbe

werden

Zeitzeugenberichte

1960er Jahre

Reise ins Bundesgebiet, Teil II - Der rote Teppich

Während sich heute die Familien eher darüber streiten, wo und wie sie ihre Urlaube verbringen, war es auch in den späten 60zigern schon etwas besonderes Urlaub zu machen. Unsere Familie hatte ihre Vorbehalte gegenüber dem zweiten Deutschen Staat immer noch nicht abgelegt und so plante mein Vater unsere ersten echten Ferienurlaub ebenfalls mit dem Flugzeug.

Beginnend von Tempelhof nach Hannover und von dort aus mit der Bahn bis hin zum Bauerhof irgendwo in NRW. Mein erster Flug, ich war aufgeregt. Nicht nur das ich die sich selbst öffnenden Türen selbst erleben konnte, die mein Vater vor Jahren beschrieben hatte, ich durfte ein bischen "Große Welt" schnuppern.

Für so einen Knirps ist die Eingangshalle des Flughafen Tempelhof schon ein riesiges Gebäude, aber nur im Slapstick werden Türen zum Spaß öfter durchgangen und so war es auch heute. Einmal durch und schon war der Zauber vorbei. Nicht so meine Aufregung.

Während des ganzen Fluges hatte ich höllisches Zahnweh und um mich abzulenken schaute ich aus dem Fenster. Und ob wohl ich zwischenzeitlich mehrere tausend Flugkilometer hinter mir habe, ist mir eins unvergesslich. Wir hatte über gesamte Flugzeit klare Sicht und bei der vorgeschriebenen Flughöhe dementsprechend viel auf den Äckern des zu überfliegenden Arbeiter- und Bauerstaates zu sehen.

Entrückt von allem Realen, tauchte ich in die Welt der Träumer und vergaß dabei Flugzeug, meine eben neu erworbenen PAN AM-Wings und meine Zahnschmerzen. Da, unverhofft tauchte da unten ein langer gelber Bleistift auf. Zum greifen nahe wollte ich ihn packen und grabschte mit meiner Patsche mit voller Wucht an die Fensterscheibe. Dieser Griff ins leere, holte mich in die Realität zurück. Das Nächste was ich sah, war das schmunzeln meiner Mutter und erinnerte mich daran, das auch Mütter sehr grausam sein können. - Kinder halt -

Überspringen wir Urlaub, Ferien oder wie auch immer heutzutage diese Auszeiten von der Arbeit genannt werden. Wie hin, so auch zurück. Was sich später bei mir manifestierte war, das die Stewardessen der PAN AM hübscher waren als die der British Airways. Aber das sind andere Geschichten.

Auf diesem, meinem ersten Rückflug ins sichere West Berlin, geschah nichts aufregendes. Wir hatten keine klare Sicht, ich hatte keine Zahnschmerzen, was blieb war nur die Aussicht bald wieder in die Schule zu müssen. Ergo, nichts auf das man sich freuen könnte.

Was früher so üblich war, war der Umstand, dass kleine Kinder immer in den ersten Reihen platziert wurden. Diesem Umstand konnte ich es verdanken, das ich als erster als die nach der Landung die Türen der Maschine geöffnet wurden, den roten Teppich und die Fotografen sehen konnte. Mir wurde sofort klar: Wir sind zurück, die wollen uns Interviewen, wir sind Stars!

Schon abgeschnallt, drängelte ich mich zum Ausgang und wurde freundlich aber bestimmt von der sonst so netten Flugbegleiterin zurück gehalten. Warum nur? Die da unter warten doch auf uns. Wollen wissen wie der Flug so war, wo ich meinen Urlaub verbracht hatte und vielleicht noch etwas mehr. He, warum muß ich warten?

Tja, das der Aufwand nicht mir oder meiner Familie galt ist doch klar, oder? Wer sollte sich schon für eine Familie mit einem Kind aus dem Mittelstand zurück aus ihrem ersten echten Urlaub interessieren. Niemand!

Unserem Flugkapitän galt die Aufmerksamkeit. Heute wäre er wohl so eine Art F-Prommi, damals war er wohl so was wie ein Held. Ich glaube, nach 5 Millionen Flugstunden oder so sollte der gerade beendete Flug sein letzter gewesen sein und dies wollte man für die Nachwelt aufbereiten. Mensch dachte ich, ist doch ein toller Hecht unser Kapitän. Hat`er sich verdient, den Rummel. Und den Teppich durfte ich später auch noch betreten. Was für eine Heimkehr für einen Steppke aus Berlin. Erinnerungen wie sie über Millionen Male in einer Verknüpfung zwischen dem ehrwürdigen Flughafen Tempelhof und seinen Fluggästen lebendig sind. Hamburg ist das Tor zur Welt, Bremen hat den Schlüssel und Berlin besitzt die Startbahn vor der Haustür. Was braucht eine Weltstadt mehr?


Bericht von: Ottmar W. Lehmann, Berlin

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